Raumakustik: Bass (-dröhnen beseitigen/verhindern)

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Bassdröhnen

Die Studiolautsprecher sind nun richtig aufgestellt. Die Absorber, Teppiche, Vorhänge sind so platziert, dass es im Tonstudio an deiner Abhörposition schon ganz gut klingt. Wenn du nun einen Song abmischst und diesen auf Kopfhörern oder im Auto abhörst, wirst du feststellen, dass die Bässe leider alles andere als optimal abgemischt sind.

Woran liegt’s? Die falschen Plugins benutzt? Nein, die falschen Plugins hast du mit Sicherheit nicht benutzt. Wir hören es einfach nicht. Der Tieftonbereich ist bis jetzt noch nicht optimiert. Zwischen 30 und 300 Hz hat übrigens jeder Raum massive Probleme. Um die Bässe in den Griff zu kriegen, musst du den Raum analysieren und dann auf Basis der Messergebnisse mit Bassfallen ausstatten.

Alles zu theoretisch? Man kann das Problem im Raum auch hören. Dazu im Folgenden ein Experiment.

Bist du mitten in diesem Artikel gelandet? Auf Tonstudio Wissen sind die Artikel zusammenhängend sortiert, sodass du dir chronologisch das gesamte Wissen über das Mixing aneignen kannst. Die komplette Anleitung findest du unter Abmischen lernen. Es ist empfehlenswert, bei diesem Thema sich zunächst den vorherigen Artikel Studiomonitore aufstellen und Raumakustik verbessern durchzulesen.

Experiment: Stehende Wellen hören

Aktiviere den Sinusgenerator deiner DAW (z.B. bei Steinberg Cubase als Plugin integriert) und stelle den Testton auf 60 Hz ein. Höre dir nun das Signal an deiner Mixposition an. Nun laufe im Raum hin und her und achte auf den Ton. Du wirst vermutlich Folgendes feststellen: An einigen Stellen deines Tonstudios klingt der Sinuston lauter, an einigen leiser und an manchen verschwindet er sogar ganz. Gerne kannst du dies auch mit anderen Frequenzen zwischen 60-120 Hz probieren.

Erstaunlich, nicht wahr? Die gehörten Unterschiede entstehen durch stehende Wellen. Der Schall aus deinen Studiomonitoren wird von Wänden, Boden und Decke reflektiert und dem Direktschall überlagert. Sind diese Überlagerungen an einer Stelle deines Tonstudios bei einer bestimmten Frequenz gleichphasig, wird diese Frequenz dort verstärkt (dröhnt), sind diese gegenphasig, wird die Frequenz an dieser Stelle abgeschwächt.

Viele denken, dass sich die Musik aus den Lautsprechern überall gleich im Raum anhört, weil man oft nicht so genau hinhört. Das stimmt aber nicht. Laufe im Raum hin und her und höre, wie sich der Bassbereich ändert.

Die meisten Räume haben das Problem, dass man an der Mixposition zu wenig Bass hört und die Bässe daher zu laut abmischt. Damit wir die Bässe an der Mixposition so hören, wie sie tatsächlich klingen, müssen wir die Akustik auch in diesem Frequenzbereich optimieren. Ziel ist es, einen möglichst geraden Frequenzgang hinzubekommen.

EQ in der Summe hinzufügen und fertig?

Nach meiner Messung (Erklärung unten) sehe ich bei 90 Hz beispielsweise ein fettes Loch von -12 dB. Das bedeutet, ich höre die tiefen Töne bei 90 Hz am Abhörplatz um -12 dB zu leise. Warum kann ich jetzt nicht einen EQ in der Summe einfügen, der die 90 Hz um 12 dB wieder anhebt?

Es ist aus 3 Gründen nicht empfehlenswert:

  1. Wenn du 12 dB bei 90 Hz anhebst, funktioniert das zwar an deiner Mixposition, jedoch auch nur dort. Sobald du dich beispielsweise zu deinem Rack drehst, hörst du unter Umständen 12 dB bei der Frequenz zu viel.
  2. Meistens hören wir die Bässe am Abhörplatz zu leise. Solche Löcher im Frequenzgang gleichen EQs (Equalizer) nicht gut aus. In dem Beispiel müssen die Studiolautsprecher 12 dB mehr Pegel ausgeben. Das ist sehr viel Energie. Wenn diese Reserven fehlen, komprimieren oder verzerren die Studiomonitore das Audiosignal. Ein EQ in der Summe ist eher eine Notlösung, um bestimmte Frequenzen um wenige dB abzusenken, falls es mit akustischen Maßnahmen zu teuer und kompliziert wird.
  3. Ein EQ wirkt nur auf der Frequenzebene, nicht auf der Zeitebene. Weil die Schallenergie im Raum gespeichert und dann über eine kurze Zeitspanne wieder abgegeben wird, kann es aber auch dort Probleme geben. Die Probleme in der Zeitebene sieht man nur in einem sogenannten Wasserfalldiagramm.

Das Wasserfalldiagramm stellt dar, wie sich der Sound im Raum über die Zeit entwickelt – etwa über die ersten 300 Millisekunden. So kann beispielweise der Frequenzgang ziemlich gerade verlaufen. Im Wasserfalldiagramm wird jedoch ersichtlich, dass bei 250 ms der Bereich um 90 Hz viel zu laut ist. Dieser Bereich klingt deshalb wie eine kleine 90-Hz-Hallfahne.

Eine Nachhallzeit von 0,3 bis 0,4 Sekunden sind optimale Werte. Es sollte versucht werden diese Werte zu erreichen.

Im Mix wirst du bei dem Beispiel versuchen, die 90 Hz in den Griff zu bekommen, indem du einen EQ einfügst und die 90 Hz absenkst, aber es funktioniert nicht, weil das Problem in der Zeitebene liegt.

Die Lösung: Bassfallen

In jedem Homestudio bzw. Tonstudio brauchst du Bassfallen. Es führt kein Weg daran vorbei. Was machen Bassfallen? Bassfallen senken einen bestimmten Tiefenbereich ab. Steht eine Bassfalle an einer Wand, wird so die entsprechende Reflexion und somit auch die Überlagerung mit dem Direktschall minimiert. Wenn diese Überlagerung Gegenphasig waren, bewirken richtig aufgestellt Bassfallen, dass du an deiner Abhörposition mehr Bass hörst.

Man senkt an einer Stelle im Raum Bässe ab, damit diese an einer anderen Stelle lauter werden.

Das Zitat klingt komisch, ist aber so. Wo stelle ich Bassfallen auf? Wie bei vielen Tonstudios zu sehen, werden Bassfallen meisten in den Ecken aufgestellt. In der Regel werden mehr Bassfallen in den Ecken der Stirnwand, auf die du beim Abmischen blickst, hingestellt und hinten in den Ecken eher weniger.

Du musst dir also Bassfallen besorgen und dann durch Messen, Abhören und Ausprobiere herausfinden, wo du die Probleme deiner Akustik am besten beheben kannst.

Bassfallen kaufen

Bassfallen werden von Akustiker, wie beispielsweise MB Akustik oder HOFA, angeboten. MB Akustik bietet 2 unterschiedliche Bassfallen an. Die eine Bassfalle wird individuell auf eine Resonanzfrequenz zwischen 20 und 60 Hz abgestimmt. Die andere Bassfalle wirkt im gesamten Frequenzbereich von 30 Hz bis 20 kHz.

Mehr Informationen auf: MB-Akustik Bassfalle

HOFA bietet sogenannte zylinderförmige Basstraps an. Ein Basstrap ist 103 cm hoch und hat einen Durchmesser von 43 cm. Die Basstraps können bis zur Decke gestapelt werden. Neben dem Stapeln der Bassfallen ist es empfehlenswert, diese in den Ecken aufzustellen. Für eine noch stärkere Absorption unter 80 Hz lassen sich zwei HOFA Basstraps hintereinander aufstellen.

Mehr Informationen auf: HOFA Akustik Basstrap

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Bassfallen selbst bauen

Du kannst auch Bassfallen ganz einfach selbst bauen. Das spart viel Geld und kann noch effektiver sein, denn du kannst diese optimal für dein Raum bauen bzw. anpassen. Wie du so eine Bassfalle selbst baust und welche Größe welche Wirkung hat, wird im neuen E-Book von Tonstudio-Wissen.de verständlich erklärt.

Im E-Book wird dir u. a. verständlich erklärt, wie du deine Raumakustik zeitsparend und effektiv optimierst. Außerdem wird erklärt, wie du wirkungsvolle Absorber und Bassfallen selbst bauen kannst.

Mehr Infos über das E-Book

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Werkzeuge für die Analyse

Für die Messung benötigst du Folgendes:

  1. Software: Das kostenlose Analyseprogramm Room EQ Wizard (REW).
  2. Schallpegelmesser: Der Schallpegelmesser muss einen analogen Ausgang und möglichst auch einen zusätzlichen Mikrofoneingang haben. Dieser Schallpegelmesser ist ein sehr guter Schallpegelmesser, der bei Thomann angeboten wird (Top 10 Verkaufsrang).
    Der analoge Ausgang des Pegelmessers wird mit einem Line-Eingang deines Audio-Interfaces verbunden. Zusätzlich brauchst du einen Mikrofonständer, um den Pegelmesser frei im Raum aufzustellen.
  3. Wenn du genauer messen möchtest, ist es sinnvoll, in ein Messmikro (günstiges Messmirko bei Thomann ansehen*) zu investieren. Den Pegelmesser brauchst du aber trotzdem.

Die erste Messung

Das Software „Room EQ Wizard“ überfordert dich erst einmal, wenn du das Programm das erste Mal startest. Es kostet viel Zeit, sich die Anleitung auf Englisch für die Installation, Einrichtung, Kalibrierung und Anwendung durchzulesen und zu verstehen. Eine nachvollzierbare Erklärung wurde den Rahmen des Artikels sprengen. Das neue E-Book von Tonstudio-Wissen.de zeigt euch jedoch eine verständliche Schrittanleitung, wie ihr das Programm Room EQ Wizard einrichtet, alles verkabelt, eure Messung korrekt durchführt und auswertet. Einfach und effektiv (mit Bildern).

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Sobald alles läuft, montiere den Pegelmesser oder das Messmikro auf einem Mikrofonständer. Dieser sollte die gleiche Höhe wie deine Ohren an deine Mixposition haben (ca. 1,20 m). Stelle den Ständer etwas hinter dir, damit er nicht im Weg ist, wenn du vor dem Rechner sitzt.

Nun mache die erste Messung. Wichtig: Du kannst immer nur abwechselnd deine Lautsprecher messen, leider nicht gleichzeitig.

Das Ergebnis wird schrecklich aussehen! Glätte die Kurve um „1/3 Octave Smoothing“. So siehst du nicht jede kleine Delle im Frequenzgang, sondern nur die wichtigen. Du möchtest ja produktiv und nicht depressiv werden.

Das große Veschiebespiel

Das Prinzip ist einfach, kostet aber Zeit:

  1. Zuerst misst du den Raum ohne Bassfallen. Erst den rechten und dann den linken Lautsprecher.
  2. Danach stellst du eine Bassfalle auf.
  3. Messe den rechten und dann den linken Lautsprecher.
  4. Vergleiche die beiden Messungen mit und ohne Bassfalle.
  5. Verschiebe die Bassfalle
  6. Messe den rechten und dann den linken Lautsprecher.
  7. Vergleiche usw.

Hast du eine gute Position gefunden, stelle eine zweite Bassfalle auf, dann eine dritte Bassfalle usw. Du wirst sehen und hören, wie viel du brauchst.

Wenn du die beste Position für die Bassfallen gefunden hast, geht es weiter, denn nun kommen die Studiomonitore dran. Markiere die Position der Lautsprecher mit Klebeband. Ziehe sie dann um 10 cm nach vorne. Dies läuft dann wieder nach folgendem Schema ab: messen, hören, Position markieren, verschieben, messen, hören, Position markieren usw.

Auf diese Weise verrückst du alle Sachen im Raum, wie beispielsweise die Couch, den Tisch, das Mischpult und/oder den Kugelschreiber. Ok, der Kugelschreiber war ein Scherz. 🙂

Verändere immer nur eine Komponente, sonst weißt du nicht genau, welche Verschiebung letztendlich zu dem Ergebnis geführt hat.

Notiere dir nach jeder Messung, was du geändert hast und was nicht. Die letzte Messung muss nämlich nicht die mit dem besten Ergebnis sein. Vielleicht war schon Messung 2 das beste Ergebnis. Wenn du nun nicht mehr nachvollziehen kannst, wie die ganzen Sachen in deinem Homestudio bzw. Tonstudio bei dieser Messung standen, ist der ganze Prozess völlig wertlos.

Damit du die verschiedenen Positionen der Gegenstände nachvollziehen kannst, ist es eine gute Idee, einen langen Klebestreifen auf den Boden zu kleben und diesen mit einer Skala von 10 cm Abständen zu beschriften. So einen Klebestreifen kann z.B. von der Seitenwand (90° Winkel zur Seitenwand) zum Monitorständer geklebt werden. Die Monitorständer können dann so nachvollziehbar parallel zur Frontwand nach links und rechts verschoben werden. Oder z.B. von der Frontwand Mitte (90° Winkel zur Frontwand) zum Produzentenstuhl und darüber hinaus, um die Position deines Produzentenstuhls nachvollziehbar zu bestimmen.

Am besten ist es, wenn du schon Songs abgemischt hast, bei denen du genau weißt, wo der Mix seine Probleme hat. Dein Musikstudio ist nur dann gut, wenn du diese Probleme klar hörst. Falls dein Raum immer noch das Problem kaschiert, messe weiter!

Warum sind kleine Räume nicht optimal für ein Tonstudio?

Das Problem in kleinen Räumen ist der Bass. Dieser dröhnt in solchen Räumen, sodass es schwierig beim Abmischen wird, diesen in einem Song perfekt zu positionieren. Warum ist das eigentlich so? Ein tiefer Ton von 100 Hz hat eine Schallwellenlänge von 3,4 m. So ein Ton passt schon nicht in jedem Raum rein. Schlimmer wird es, wenn wir noch tiefer gehen.

Ein tiefer Ton von 30 Hz hat eine Schallwellenlänge von 11,4 m! Der Raum müsste mehr als 11,4 m lang, breit und hoch sein, damit die Welle in diesem Raum passt. Ist dein Homestudio kleiner, entstehen Raummoden. Es dröhnt und wummert.

Um das Problem zu lösen, müssen wir dem Bass seine Energie entziehen. Dazu können wir z.B. Absorber (Bassfallen) nehmen, die für Bässe möglichst dick sein sollten – mindestens 40 besser 50 cm.

Falls du nur einen kleinen Raum oder sogar nur eine kleine Ecke in deiner Wohnung für dein Musikequipment zur Verfügung hast, dann wird dir im neuen E-Book von Tonstudio-Wissen.de gezeigt, wie du trotzdem vernünftig abmischen kannst.

In den letzten Artikeln hast du alles erfahren, was du benötigst, um abmischen zu können. Dein Tonstudio ist nun komplett eingerichtet. Es ist aber noch empfehlenswert, sich sehr gute Studio-Kopfhörer zu kaufen. Vor allem, wenn du dir keine gute Studio-Akustik leisten kannst oder du einfach keinen eigenen Raum mehr für das eigene Tonstudio zur Verfügung hast. Also nicht verzweifeln! Weiterlesen!

Fazit: Wann ist die Akustik meines Tonstudios perfekt?

Wenn du verschiebst und misst, solltest du keine logischen Ergebnisse erwarten. Du spielst hier mit dem Chaos. Manchmal passiert es, dass du deine Bassfalle um 10 cm verrückst und sie erzielt auf einmal gar keine Wirkung. Sei dabei geduldig. Sei ausgeschlafen und fit. Nehme dir einen „Akustiktag“ oder Wochenende, um deine Raumakustik zu optimieren.

Nehme die Sache ernst, aber gehe nicht mit der letzten Verbissenheit daran. Man kann schwer gegen das Chaos gewinnen. Du bist am Ziel, wenn es am wenigsten Probleme gibt. Du hast dann also die größten Beulen im Frequenzgang minimiert.

Es gibt übrigens noch eine andere und effektivere Methode zur Verbesserung der Raumakustik. Diese wird im neuen E-Book von Tonstudio-Wissen.de erklärt. Mit diesem E-Book wirst du garantiert beim Produzieren, Abmischen und Mastering das nächste Level erreichen.

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