Tonstudio Wissen freut sich sehr, euch Mark Ziebarth vorstellen zu dürfen. Er betreibt ein professionelles Tonstudio in Hamburg. Für Kunden arbeitet er überwiegend im Bereich Sprachaufnahme und Post-Production.
In diesem Interview gibt er u.a. interessante Einblicke im Bereich Werbespots und beschreibt, wie er heutzutage vorgehen würde, um im Musikbereich als Haupt- oder Nebentätigkeit einzusteigen:
Mark, du hast Jura studiert, aber arbeitest als Komponist, Toningenieur und Fachautor in Hamburg. Ein interessanter Werdegang. Wie ist es zu diesem beruflichen Wechsel gekommen? War der Musikbereich am Anfang nur eine Nebentätigkeit?
Mark: Ich bin erst als Student überhaupt auf die Idee gekommen, dass ich im Musikbereich arbeiten möchte. Ich habe mein Jura-Studium begonnen, weil ich Journalist werden wollte und man mir damals bei der Berufsberatung sagte, Jura sei ein gutes Studium, um Journalist zu werden.
Zu Beginn des Studiums habe ich dann auch bei einer Lokalzeitung in Hamburg gearbeitet, mich dann aber immer mehr in die Musik vertieft. Das war so ca. 1989/1990 und da ging es mit der Musikproduktion im Rechner ja gerade erst los.
Ich hatte mir ein MIDI-Keyboard (Kawai K1) gekauft und mit einem geliehenen Atari die ersten Gehversuche unternommen. Audio im Rechner gab es damals noch nicht, deshalb hatte ich einen Vierspur-Cassettenrecorder, von dem eine Spur für SMPTE-Sync zum Computer zuständig war und die im Computer sequenzierten Instrumente (K1, RY 30 Drumcomputer von Yamaha und E-mu Proteus) liefen über ein Mischpult.
Das Ergebnis aus drei Spuren Audio vom Band und sequenzierten Synths lief in einen DAT-Recorder als Mastermaschine oder auf Compakt-Cassetten… Zu dieser Zeit war die Musik nur Hobby, ich habe damit kein Geld verdient, sondern erst mal fertig studiert.
Ab welchem Zeitpunkt hast du deine ersten Einnahmen im Musikbereich erzielt?
Mark: Als ich mit dem Studium fertig war, stellte sich mir die Frage, wie ich es denn schaffen könnte, mit der Musik Geld zu verdienen. Und da kam die Journalismus-Idee wieder ins Spiel. Ich wurde zunächst Redakteur bei der Zeitschrift KEYS in München. Nach 1,5 Jahren merkte ich jedoch, dass es mir nicht reichte, über Musik und Instrumente zu schreiben. Ich ging wieder zurück nach Hamburg, arbeitete aber als freier Mitarbeiter weiterhin für KEYS.
Du hast bei sehr vielen bekannten Werbespots, wie z.B. Nutella, Hornbach (Audiologo) oder Toyota, die Musik komponiert und/oder produzierst. Das ist sehr beeindruckend. Wie hast du den Einstieg geschafft?
Mark: Mit Werbung hatte ich ursprünglich nichts am Hut. Ich hatte aber schon vor meiner Zeit in München meinen späteren Partner Dirk kennengelernt, dem ich ein Deutsch-HipHop-Projekt vorstellte, dass ich mit einem Freund vorproduziert hatte.
Dirk war Mitbenutzer eines großen Studios in Hamburg mit 24-Spur-Bandmaschine, SSL-Pult usw. Als ich wieder aus München zurück war, fragte er mich hin und wieder, ob ich ihn bei Werbeproduktionen unterstützen könne.
Wir ergänzten uns sehr gut: er ist ein sehr guter Pianist und ich als ursprünglicher Drummer und Produzent passten sehr gut zusammen. Diese Zusammenarbeit haben wir dann recht schnell institutionalisiert und unsere gemeinsame Firma advertunes gegründet.
Wie gehst du beim Komponieren von Werbespots vor? Gibt es in der Regel Vorgaben? Woher weißt du, wann die Musik – manchmal sind es ja sogar nur wenige Töne – für die Werbung einen Mehrwert bietet?
Mark: Das kommt drauf an. Häufig gibt es Vorgaben, weil der Cutter sich schon Musik unter den Spot gelegt hat und in diesem Rhythmus geschnitten hat. Damit ist das Tempo und häufig auch der Stil schon mal festgelegt.
Und dann gibt es natürlich ein Briefing, das mehr oder weniger hilfreich sein kann…;) Den dann noch bestehenden Spielraum füllt man mit Intuition, eine goldene Regel oder ein Master-Fahrplan sind mir leider nicht bekannt.
Welche (vermutlich) virtuellen Instrumente und Plugins benutzt du dafür gerne und warum?
Mark: Ich benutze schon seit Jahren fast ausschließlich virtuelle Instrumente. Dazu gehört alles was Logic und Pro Tools so mitbringen, ergänzt um meine Sample-Library, die noch aus Akai-S-1000-Zeiten stammt, ein Native-Instruments-Bundle, die Spectrasonics-Instrumente, Addictive Drums und BFD sowie ein paar Sachen von Spitfire Audio. Es gibt dazu noch einen Haufen virtueller Synthesizer…
Wie erfolgreich warst du bereits, als du dir dein derzeitiges Studio im Jahr 2003 in Hamburg eingerichtet hattest? Hattest du davor ein kleines Homestudio?
Mark: Das aktuelle advertunes Studio ist mein drittes Studio. Als Student hatte ich kleines Homestudio in meiner Wohnung. Später dann habe ich mit Freunden einen Bunker-Proberaum in ein kleines Studio umgewandelt, in dem Dirk und ich unsere ersten größeren Projekte wie Hornbach-Logo, Toyota-TVCs und so einiges mehr erledigt haben.
Zu der Zeit hatte Dirk auch noch die Studiobeteiligung an dem großen Studio, in dem wir aufnehmen konnten, wenn größere Klangkörper wie Chöre oder Streicher-Ensembles aufgenommen werden mussten. Da die Bunker-Räumlichkeiten für Kundenbesuche nur mäßig geeignet waren, haben wir die aktuellen Räume in Eppendorf nach einem umfangreichen akustischen Umbau bezogen.
Wie erhältst du heutzutage Aufträge? Nutzen die Kunden dafür hauptsächlich deine Webseite advertunes.de und schreiben dir eine E-Mail? Bist du selber aktiv, um Aufträge zu erhalten?
Mark: Es kommt vor, dass sich Kunden über die Website melden, das ist aber eher selten. Akquise bringt leider auch nur zum Teil etwas. Es ist klassisches Nasen-Business: Wenn dich die Leute kennen, melden sie sich bei dir.
Wie schwierig ist es, ausschließlich vom Komponieren, Abmischen, den Sprachaufnahmen und der Audio-Postproduction zu leben? Welches Geschäftsfeld ist aus deiner Sicht am lukrativsten?
Mark: Das Komponieren für Werbung ist in den letzten zwanzig Jahren ein immer schwierigeres Feld geworden, wenn man nicht zu einem der großen Teams gehört. Es gibt Komponier-Fabriken, die geben zu einem mit 500 oder 1000 Euro dotierten Pitch 20 Layouts ab.
Die sind natürlich nicht alle für diesen Job geschrieben worden, beeindrucken aber die Kunden. Außerdem wird viel bereits bestehende Musik lizenziert.
Da der „erste Musikmarkt“ für Künstler nur noch mäßig funktioniert, ist die Bereitschaft, Titel in der Werbung unterzubringen, viel größer geworden. Sprachaufnahmen und Audio Post Production sind ein deutlich seriöseres und verlässlicheres Geschäftsfeld.
Wie würdest du deine Auslastung für die verschiedenen Betätigungsfelder im Musikbereich prozentual einteilen? Womit verbringst du die meisten Stunden in deinem sehr schönen Tonstudio? Und wie viele Stunden verbringst du insgesamt pro Woche in deinem Tonstudio?
Mark: Da ich seit knapp zwei Jahren auch mit der Sängerin Luba aus Berlin produziere (lubamusic.net), haben sich die Anteile wieder ausgeglichen. Luba und ich haben Anfang des Jahres 2020 ihr erstes Album „Embrace the Dark“ veröffentlicht und arbeiten noch an weiteren Songs. Für Kunden arbeite ich mittlerweile überwiegend im Sprachaufnahme- und Post-Production- Bereich.
Wie würdest du mit deinem heutigen Wissen vorgehen, um in die Musikwelt als Haupt- oder Nebentätigkeit einzusteigen?
Mark: Ich würde versuchen, Praktika in größeren Studios zu machen, um verschiedene Einsatzgebiete (Musikproduktion, Werbung, Hörbuch/Podcast, Ton zum Bild) kennen zu lernen. Vielleicht gibt es die Chance, in dem einen oder anderen Laden zu bleiben und erste Erfahrungen zu sammeln. Später kommt dann die Überlegung, ob man sich selbständig machen sollte oder nicht.
Welche Tipps würdest du angehende Musikproduzenten auf den Weg geben?
Mark: Du musst flexibel sein. Nur wenn du bereit bist, auch Kompromisse einzugehen, wirst du auf Dauer in diesem Gebiet arbeiten können. Wer darauf vertraut, mit seiner Musik reich und berühmt zu werden, wird es schwerer haben, weil das kaum noch vorkommt
Mark, herzlichen Dank für deine interessanten Antworten! Weitere Infos über den sympathischen Musiker aus Hamburg findet ihr auf
Übrigens hat Mark auch folgenden Film abgemischt:
https://www.arte.tv/de/videos/098234-000-A/durch-die-nacht-mit/