Interview mit Timo Krämer – produzierte u.a. Hits für Vega und Sido

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Timo Krämer hat eine beeindruckende Erfahrung im Musikbereich. Er arbeitet seit über 20 Jahren an der SAE (weltweit größten Mediencampus – Bereiche u.a. für Audio und Musikbusiness) und ist als Komponist, Producer, Live Engineer, Live Musiker und sogar Studioplaner tätig. Zu seinen Künstler zählen bekannte Größen, wie z.B. Vega, Sido, Moses Pelham, Bonez MC oder Basstard. Darüber hinaus war er für diverse TV-Sendungen tätig, wie z.B. Sing wie Dein Star (ARD), Nur die Liebe zählt (Sat 1), Superkids (Sat 1) oder Deutschland Tanzt (Pro 7).

Im folgenden Interview gibt Timo für euch spannende Einblicke und wertvolle Tipps im Musikbereich:

Timo, deine Erfahrung ist beeindruckend! Du warst schon in den vielfältigsten Musikbereichen tätig gewesen: als Komponist, Musikproduzent, Live Engineer, Live Musiker und Studioplaner. Ab wann hast du gemerkt, dass das Musikbusiness genau deins ist?

Timo: Danke für das Kompliment! Ich würde sagen, dass Musik meins ist, das Musikbusiness allerdings nicht so. Mit wäre viel lieber, wenn Kunst ohne Kommerz stattfinden würde, aber das ist natürlich ziemlich utopisch.

Ich hätte Musik zu meinem Vollzeitberuf machen können, seit das von mir produzierte Vega-Album “Kaos” damals auf Platz 1 der deutschen Albumcharts eingestiegen ist. Aber ich habe es nie getan, weil ich zu große Sorge habe, dass ich das Kommerz-Spiel die ganze Zeit mitspielen muss, und Musik immer öfter als Ware sehe und immer weniger als das schönste Hobby der Welt.

Du bist seit über 20 Jahren für die SAE tätig. Hast du dich dafür offiziell beworben oder wie wurde die SAE auf dich aufmerksam? Hast du selber eine klassische Ausbildung im Musikbereich gemacht?

Timo: Ich bin mit klassischer Musik, einem Klavier im Wohnzimmer und 12 Jahren Geigenunterricht aufgewachsen, und habe zahllose Orchester-Auftritte, Musicals und Streichquartett-Konzerte mitgespielt. Als ich dann irgendwann andere Musik entdeckt habe und zuerst ein Schlagzeug und später eine E-Gitarre hatte, wollte ich nur noch Rockstar werden und auf der Bühne stehen.

Nach der Schule wusste ich nicht genau was ich machen soll, ich hätte fast Violine studiert, habe mich dann aber für Tontechnik an der SAE entschieden. Während des Studiums werden die Dozenten auf die Schüler aufmerksam, die sie nach deren Abschluss gerne behalten wollen, zuerst als Betreuer für neue Studenten und später evtl. auch als Dozenten oder in anderen Positionen. So war es auch bei mir.

In Timos schicken Tonstudio fällt sofort das Komplete Kontrol von Native Instruments mit der 88-Tasten-Version auf, mit dem er die Songs produziert.

Du bist ein großer Fan vom deutschen Rapper Vega. Mit einer Facebook-Nachricht hast du es geschafft, dass du bis heute sein Songwriter bist. Das Album „Nero“ war dann eure erste Zusammenarbeit und stieg auf Platz 2 der deutschen Album-Charts ein. Das anschließende Album „Kaos“ auf Platz 1. Hast du einfach Talent oder gibt es noch andere Ansätze, die du verfolgst, um einen Hit zu schreiben? Hast du ein Gespür dafür, was die Leute gerne hören?

Timo: Niemand weiß genau, wo Musik herkommt. Viele Komponisten reden sehr spirituell darüber, andere behaupten, dass sie unter Drogen kreativer werden, es gibt jede Menge Theorien. Aber niemand kann genau sagen, warum uns manchmal eine gute Melodie oder ein schöner Text einfällt. Viel davon hat mit der eigenen Vergangenheit und natürlich dem eigenen musikalischen Background zu tun.

Ich hatte das Glück, dass ich zumindest im deutschen Hip-Hop-Bereich etwas ziemlich einzigartiges anzubieten hatte mit meiner Mischung aus Klassik, Metal und Hip Hop-Rhythmen. Ich habe immer auch echte Instrumente verwendet und weiß aus meiner Orchester-Zeit einiges über Arrangements und wie verschiedene Instrumente gut miteinander harmonieren. Und in gewisser Weise habe ich mich dann ins gemachte Nest gesetzt, indem ich Vega von meinen Instrumentals überzeugen konnte, denn seine Alben wären so oder so Top 3 gegangen, mit oder ohne mich.

Musikalisches Talent habe ich auf jeden Fall und kann das auch offen so sagen, es ist ja nicht mein Verdienst. Und das Gespür dafür was Leute hören wollen, hat man glaube ich nur bei Leuten, die ähnliche Musik mögen. Ich hab auch eine Zeitlang versucht Pop-Musik zu machen und war damit nicht sonderlich erfolgreich. Es gibt Leute, die können auch erfolgreiche Musik machen, die ihnen selbst überhaupt nichts gibt. Weder Vega noch ich sind dazu in der Lage, und auch kein bisschen traurig darüber.

Seit vielen Jahren arbeitet Timo mit dem deutschen Rapper Vega (auf dem Bild rechts) zusammen. Darüber hinaus unterstützt euch Timo als Coach bei vielen musikbezogenen Themen wie Akustik & Studioplanung, Musikbusiness, bis hin zu Zeit- und Selbstmanagement, Erreichen von Zielen und Förderung der eigenen Kreativität.

Warum ist es aus deiner Sicht so schwierig, einen Hit zu schreiben?

Timo: Weil viele Sachen zusammen kommen müssen. Ein Hit spiegelt ja nicht nur (oder manchmal sogar gar nicht) die musikalische Qualität eines Songs. Die Marketing-Kampagne, das Image, der richtige Skandal zur richtigen Zeit, das Video, die richtige Person mit einer interessanten Story als Act auf der Bühne usw. usw.

Musikbusiness ist ein Zehnkampf, und nur ein Teil davon ist Musik. Jeder Faktor muss passen, man kann alles richtig machen und einfach nur ein paar Monate zu früh oder zu spät sein, und schon wird es kein Hit. Es ist ein bisschen wie mit Aktien an der Börse: Vorher tappen alle im Dunkeln und haben schlaue Theorien, aber keiner weiß wirklich was erfolgreich sein wird. Und danach kann dir jeder erklären, dass völlig klar war, dass es so kommen wird. 😉

Welche Wege kannst du empfehlen, um seine Beats an andere Künstler zu verkaufen?

Timo: Youtube. Alle Rapper die ich in den letzten 2 Jahren gefragt habe wo sie nach Beats suchen, haben Youtube gesagt. Für andere Musikrichtungen wie Pop und Schlager würde ich versuchen, in Writing-Camps reinzukommen und/oder einen Verlagsdeal zu kriegen.

Wie würdest du mit deinem heutigen Wissen vorgehen, wenn du deine eigene Band bekannter machen möchtest?

Timo: Gute Videos, regelmäßige Releases, lieber oft einen Song als alle 1-2 Jahre ein Album, Social Media gnadenlos einsetzen, und alle aktuellen Methoden um Aufmerksamkeit zu kaufen gezielt nutzen. Früher waren das z. Bsp. Plakate und Zeitungsanzeigen, heute sind es Internetwerbung und gekaufte Klicks.

Und irgendwie versuchen aus der Masse herauszustechen. Sowohl musikalisch als auch mit dem Marketing. Ich würde mich an den deutschen Rappern orientieren, das sind die besten Geschäftsleute im hiesigen Musik-Business. Das liegt sicherlich auch daran, dass sich viele Rapper selbst auch als Geschäftsleute sehen, während andere Musiker eher dazu tendieren, sich nur auf die Musik konzentrieren zu wollen und “den Rest macht das Management” (oder halt auch nicht). Es gibt selbst jetzt noch Musikrichtungen die nicht gecheckt haben, dass man mit Premium-Boxen einfacher in die Charts kommt. 

Ein Konzert von Vega. Timo begleitet ihn mit der Gitarre.

Wie viele Stunden arbeitest du pro Woche in deinem Musikstudio? Womit verbringst du die meiste Zeit in deinem Studio?

Timo: Im Schnitt vielleicht 20 Stunden pro Woche. Entweder sitze ich an eigenen Instrumentals, oder ich mische & mastere Projekte von anderen Leuten. Mittlerweile verbringe ich auch viel Zeit mit den Tutorials und Livestreams für das Producer Network, und neuerdings auch für meinen eigenen Youtube-Kanal.

Live abmischen? Für Timo kein Problem.

Auf welche virtuellen Instrumente möchtest du beim Schreiben von Songs nicht mehr verzichten? Welche Klangerzeuger haben schon virtuellen Staub angesetzt?

Timo: Das wichtigste für mich sind Klavier- und Orchestersounds. Mein aktueller Klavierfavorit ist der Gentleman von Native Instruments und das Felt Piano von Olafur Arnalds. Im Orchesterbereich verwende ich am liebsten die Spitfire-Libraries.

Staub angesetzt haben bestimmt 70% meiner Libraries, aber ich denke das ist auch gut so und ganz normal. Wir alle haben VIEL zu viel Kram auf unseren Festplatten, und wenn wir nur 10 Sounds hätten, wären wir mal wieder gezwungen, uns auf den musikalischen Inhalt zu konzentrieren statt auf das Durch-Steppen zahlloser Libraries.

Du hast in einem Youtube-Video gesagt, dass du beim Schreiben von Songs auch gleichzeitig abmischt, weil dich technische Unzulänglichkeiten ablenken, die Musik weiterzumachen. Welche Plugins nutzt du für das Abmischen sehr gerne und warum?

Timo: Bei mir muss es schnell gehen, ich bin ungeduldig und habe außerdem immer Angst, dass ich eine gute Idee vergesse während ich eine andere umsetze. Ich habe über ein Jahr lang meine Keyboard-Shortcuts in Studio One optimiert, damit ich häufige Vorgänge so schnell wie möglich erledigen kann.

Beim Mischen verwende ich am häufigsten Neutron und Ozone von Izotope, ganz viel aus dem Slate Bundle, verschiedene Stock-Plugins von Studio One, und den Decapitator von Soundtoys. Dazu habe ich mir noch einzelne Plugins von Plugin Alliance und Waves gekauft. Die klingen allesamt hervorragend und ich erreiche damit immer schnell den Sound der mir vorschwebt.

Welche Frage kriegst du als Coach am meisten gestellt und wie lautet deine Antwort?

Timo: Schwer zu sagen. Entweder “Welches Mikrofon ist das beste” oder “wie kriege ich mit meiner Musik mehr Aufmerksamkeit”. 

Die erste Antwort ist “das kommt darauf an, und ganz oft ist es nicht das teuerste” und die zweite Frage beantworte ich mit einem Bild, über das ich mal in Facebook gestolpert bin:

Welche Tipps würdest du angehende Musikproduzenten auf den Weg geben?

Timo: Drei Tipps:

  1. Ich würde mir überlegen, was ICH beitragen kann, was es nicht schon hundertmal gibt. So wie in meinem Fall damals die Klassik- und Metal-Einflüsse in Hip Hop Beats. Alle machen zur Zeit 808-Beats mit Trap-Hihat-Loops und wundern sich, dass sie damit nicht durchkommen. Es wäre möglicherweise SEHR viel einfacher, Erfolg zu haben mit etwas gutem, das NICHT auch alle anderen machen.
  2. Ich würde mir außerdem überlegen, welchen Teil der technischen Seite ich wie gut brauche. Der Bereich ist riesig, und man kann sein Leben lang seine tontechnischen Skills verfeinern ohne einen einzigen Ton Musik zu spielen.
  3. Ich würde das zumindest am Anfang nicht als Vollzeit-Job anstreben. Was ich sehr empfehlen kann ist meine eigene berufliche Situation: Ein “richtiger” Job in Teilzeit (bei mir ist das der SAE-Job), und noch viel Zeit für Musik. So bleibt es entspannt, auch wenn mal weniger Musik-Geld reinkommt, und Musik macht auch weiterhin jeden Tag Spaß, weil ich zu nichts gezwungen bin und meine Existenz nicht davon abhängig ist.
Auf seinem Youtube-Kanal, der ab dem 16.10.20 mit einem Livestream startet, wird er viele weitere Tipps geben.

Lieben Dank für das Interview, Timo! Beim Lesen der Antworten merkt man deutlich, dass man sehr viel von Timo im Musikbereich lernen kann. Auf seinem eigenen Youtube-Kanal wird er bald viele weitere wissenswerte Erklärungen rund um das Thema Musikproduktion geben. Dort wird er u.a. erfolgreiche Songs analysieren und aufzeigen, warum die Musik und die Songtexte so gelungen sind. Wer mehr über den wirklich sehr sympathischen Musiker erfahren möchte, sollte zudem unbedingt einmal seine Webseite besuchen:

Youtube-Kanal von Timo

Webseite von Timo

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